Urlaub und Taggelder für den hinterlassenen Elternteil ab 1.1.2024

In der Mitteilung des Bundesrats vom 22.11.2023 ist folgendes zu lesen:

«Der Tod eines Elternteils unmittelbar nach der Geburt ist für die Familie und das Neugeborene ein schwerer Schicksalsschlag. In solchen Fällen hat der überlebende Elternteil künftig Anspruch auf einen längeren Mutterschafts- beziehungswiese Vaterschaftsurlaubs. Die Änderung soll dafür sorgen, dass in den ersten Lebensmonaten die Betreuung und das Wohl des Neugeborenen Vorrang haben. Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 22. November 2023 das Inkrafttreten der Änderung des Erwerbsersatzgesetzes (EOG) per 1. Januar 2024 beschlossen und die entsprechende Änderung verabschiedet.»

 

Worum geht es?

Das Gesetz wurde am 17.3.2023 verabschiedet und das Referendum verstrich ohne Widerstand. Die Anpassungen beziehen sich auf das EOG und weitere für die Umsetzung relevante Gesetze und Verordnungen. Das OR regelt den Urlaub und das EOG die Entschädigung.

Link zum EOG: https://www.fedlex.admin.ch/eli/fga/2023/783/de
Link zur EOV: https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/84293.pdf

Bei der Einführung der verschiedenen Urlaube wie Vaterschaftsurlaub, Urlaub für die Betreuung eines wegen Krankheit oder Unfall gesundheitlich schwer beeinträchtigten Kindes (BUE) und Adoptionsurlaub mussten sich die Unternehmen bereits überlegen inwieweit sie ihre Personalreglemente und Verträge anpassen sollten.

Die Hauptfrage stellt sich vor allem bei Löhnen, welche durch die Obergrenze der Taggeldentschädigung nach EO nicht den ganzen Ausfall abdecken. Wird die Differenz über den Arbeitgebenden ausgeglichen oder nicht?
Selbst wenn es hoffentlich ein seltener Fall sein wird, sollten sich die Unternehmen auch mit den neuen Urlaubsansprüchen ab 1.1.2024 befassen. Für die Payroll ist diese neue Urlaubsart zudem eine weitere Herausforderung, die Lohnfortzahlung korrekt zu berechnen und zu verarbeiten.

Der Anspruch auf Urlaub und Entschädigung erfolgt, wenn der Tod ab 1.1.2024 eingetreten ist.

 

Was regelt das OR?

Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs, wenn der andere Elternteil verstirbt

«Im Falle des Todes des andern Elternteils während der sechs Monate nach der Geburt des Kindes hat die Arbeitnehmerin Anspruch auf zwei Wochen zusätzlichen Urlaub; sie kann diesen Urlaub innert einer Rahmenfrist von sechs Monaten ab dem Tag nach dem Tod wochen- oder tageweise beziehen.»  gem. Art. 329f Abs. 3 OR

«Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und hat die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer vor Ende des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf den Urlaub des andern Elternteils nach Artikel 329g, so wird die Kündigungsfrist um die noch nicht bezogenen Urlaubstage verlängert.»  gem. Art. 335c Abs. 3 OR

Der Kündigungsschutz gilt für den Beginn des Urlaubs und dem letzten bezogenen Urlaubstag, längstens jedoch drei Monate nach Ablauf der 16 Wochen des üblichen Mutterschaftsurlaubs.

Es erfolgt keine Ferienkürzung.

 

Bezug des Mutterschaftsurlaubs für den anderen Elternteil bei Tod der Mutter

«Stirbt die Mutter am Tag der Niederkunft oder während der 14 Wochen danach, so hat der andere Elternteil Anspruch auf einen Urlaub.» gem. 329gbis Abs. 1 OR

Bei Hospitalisierung des Neugeborenen verlängert sich der Urlaub um die Dauer der Hospitalisierung, höchstens jedoch um acht Wochen.

Befindet sich der andere Elternteil nicht mehr in der Probezeit ist der Kündigungsschutz für die ganze Urlaubsperiode zu berücksichtigen.

Es erfolgt keine Ferienkürzung.

 

Was regelt das EOG und die EOV?

Grundsätzlich erfolgt die Gewährung von Taggeldern analog den Bestimmungen gem. OR.

 

Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs, wenn der andere Elternteil verstirbt

Art. 16k EOG wird ergänzt um den anderen Elternteil. Der Bezug erfolgt analog dem bereits eingeführten bekannten Vaterschaftsurlaub.

«2 Der andere Elternteil hat Anspruch auf höchstens 14 Taggelder.

3 Wird der Urlaub wochenweise bezogen, so werden pro Woche 7 Taggelder ausgerichtet.

4 Wird der Urlaub tageweise bezogen, so werden pro 5 entschädigte Tage zusätzlich 2 Taggelder ausgerichtet.»

 

Bezug des Mutterschaftsurlaubs für den anderen Elternteil bei Tod der Mutter

Art. 16kbis EOG Anspruch auf zusätzliche Taggelder im Falle des Todes der Mutter

«1 Stirbt die Mutter am Tag der Niederkunft oder während der 97 Tage danach, so hat der andere Elternteil Anspruch auf zusätzliche 98 Taggelder; diese Taggelder müssen an aufeinanderfolgenden Tagen bezogen werden.

2 Bei einem Spitalaufenthalt des Neugeborenen gilt Artikel 16c Absatz 3 sinngemäss.

3 Der Anspruch nach den Absätzen 1 und 2 entsteht am Tag nach dem Tod der Mutter und endet aus den Gründen nach Artikel 16j Absatz 3 Buchstaben b–e oder bei Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit.

4 Die Rahmenfrist von sechs Monaten nach Artikel 16j wird während des Bezugs von Taggeldern nach den Absätzen 1 und 2 unterbrochen.»

Wird das Kind tot geboren oder stirbt es bei der Geburt, so entsteht kein Anspruch auf die Entschädigung des Vaters bzw. der Ehefrau der Mutter.

Zudem muss der/die Anspruchsberechtigte unselbstständig oder selbstständig sein (Definition nach Artikel 10 resp. 12 ATSG). Unter Umständen haben auch Arbeitslose resp. Arbeitsunfähige Anspruch auf Taggelder (siehe Erläuterungen unter EOV).

Der Bezug des Taggeldes für den anderen Elternteil sistiert den Anspruch auf andere Taggelder. Bestand vor Beginn bereits ein Anspruch auf ein anderes Taggeld so entspricht die Entschädigung des andern Elternteils mindestens dem bisher bezogenen Taggeld (IV-Taggeld, Krankentaggeld nach KVG, Unfalltaggeld, Taggeld der Militärversicherung, Arbeitslosentaggeld)

Der Urlaub muss am Tag nach dem Tod der Mutter am Stück bezogen werden. Die Erwerbstätigkeit darf durch den anderen Elternteil während des Urlaubsbezugs am Stück nicht wieder aufgenommen werden. Ansonsten erlischt der Anspruch auf die Taggelder! Dies ist bekanntlich immer wieder ein Thema bei Müttern während dem Bezug ihres Mutterschaftsurlaubs.

Es ist jedoch tückisch für den hinterbliebenen Elternteil und die Unternehmung. Man rechnet unter normalen Umständen nicht mit dem Tod der Mutter. Das heisst, dass im Prinzip der andere Elternteil unvorbereitet den Urlaub antreten muss und keine Arbeiten an andere Mitarbeitende in der Unternehmung übergeben darf. Ist das realistisch?

Wie regeln dies die Unternehmen in den Personalreglementen / Arbeitsverträgen? Der Urlaub muss gem. OR gewährt werden. Jedoch sollten sich die Unternehmen insofern schützen, als dass sie die frühzeitige Wiederaufnahme der Tätigkeit verbieten oder entsprechend nach zu früher Wiederaufnahme der Arbeit keine weitere Lohnfortzahlung garantieren.

Ein weiterer Knackpunkt für Unternehmen könnte folgende Präzisierung gem. Kreisschreiben darstellen: Wurde das Kindsverhältnis im Todeszeitpunkt noch nicht durch die Anerkennung begründet, besteht nur dann Anspruch auf die Verlängerung der Entschädigungsansprüche des Vaters, sofern das Anerkennungsverfahren bereits im Gange ist und der Arbeitgeber auf dieser Grundlage die Urlaubstage gewährt hat. Kann das Kindsverhältnis während der Rahmenfrist schlussendlich nicht begründet werden, ist die bezogene Entschädigung zurückzuerstatten.

Die EOV enthält verschiedene Präzisierungen bezüglich des massgebenden Lohns für die Berechnung des Taggelds.

Sie regelt unter anderem die Voraussetzungen für eine Entschädigung an eine arbeitslose oder arbeitsunfähige Mutter resp. an den arbeitslosen oder arbeitsunfähigen anderen Elternteil sowie selbstständig Erwerbende.

Es wird zudem festgelegt welche Ausgleichskasse in welcher Situation für die Behandlung und die Auszahlung der Taggelder zuständig ist.

Mit Veröffentlichung des Kreisschreiben über die Mutterschaftsentschädigung und die Entschädigung des andern Elternteils (KS MSEAE) mit Gültigkeit ab 1.1.2024 wird das frühere Kreisschreiben über die Mutter- und Vaterschaftsentschädigung (KS MVSE) umbenannt und ergänzt.

Unter folgendem Link sind die Anpassungen im Kreisschreiben für 1.1.2024 im Detail ersichtlich: https://sozialversicherungen.admin.ch/de/d/18327

Es handelt die korrekten Anmeldeformulare und erforderlichen Dokumenten bei Anmeldung eines Taggeldes ab und konkretisiert die Zuständigkeit der Ausgleichskasse gem. EOV.

 

Ergänzend sei zudem an die geltende Regelung für den versicherten Verdienst gem. BVG erinnert:

Der koordinierte Lohn wird beibehalten ausser die versicherte Person verlangt die Herabsetzung des koordinierten Lohnes. Dies gilt während der Lohnfortzahlung nach Art. 324a OR oder im Falle eines anderen Urlaubs nach OR (inkl. den Urlauben ab 1.1.2024).

 

Fazit

Alles in allem handelt es sich um eine neue gesetzliche Bestimmung, welche es im Detail in sich hat. Es wird aus den erwähnten Gründen empfohlen, nicht zu warten, bis ein hoffentlich seltener Fall eintritt und Hektik ausbricht.

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