Skizzierung der künftigen und rückwirkenden Vereinbarung zur Telearbeit für Grenzgänger im Bereich der Steuern zwischen der Schweiz und Italien

Schlussspurt vor dem Jahreswechsel oder mehr Unklarheit bezüglich der Anwendung des neuen Grenzgängerabkommens für die Unternehmen in den Kantonen Graubünden, Tessin und Wallis?

 

Am 10.11.2023 hat das EFD kommuniziert, dass es eine dauerhafte Steuerregelung für Telearbeit geben wird. In der veröffentlichten Absichtserklärung werden die Eckpunkte festgehalten worüber in den nächsten Wochen inhaltlich detailliert verhandelt wird.

Link zur Absichtserklärung (italienisch): https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/84015.pdf

 

Bis zum 30. November 2023 soll ein Übergangsabkommen unterzeichnet werden, welches die neuen Bestimmungen festhält. Dieses Übergangsabkommen soll ab 1.1.2024 angewendet werden können.

Die definitive Verankerung der Telearbeitslösung im Bereich der Steuern soll durch ein Zusatzprotokoll zum in Kraft getretenen Grenzgängerabkommen (17.7.2023) erfolgen.

Das Zusatzprotokoll soll bis Ende November 2023 auf technischer Ebene verhandelt sein. Dies soll bis zum 31.5.2024 durch die beiden Staaten unterzeichnet und veröffentlicht werden. Dieses Zusatzabkommen muss spätestens bis zum 31.12.2025 durch die beiden Staaten ratifiziert werden.

Das Vorgehen erinnert an die Telearbeit-Verständigungsvereinbarungen zwischen Frankreich und der Schweiz.

Für Details bezüglich dem neuen Grenzgängerabkommen mit Italien verweise ich auf den Blog vom 20.7.2023:  https://www.zulaufgmbh.ch/das-neue-grenzgaengerabkommen-zwischen-der-schweiz-und-italien-ist-am-17-7-2023-in-kraft-getreten/

Das neue Grenzgängerabkommen regelt auch Grenzgänger mit Wohnsitz in der Schweiz, welche täglich zu ihrem Arbeitgeber nach Italien pendeln.

Die folgenden Ausführungen fokussieren auf Auswirkungen in den Unternehmen der Kantone Graubünden, Tessin und Wallis.

 

Die Absichtserklärung enthält Informationen zur Telearbeitslösung ab 1.1.2024 und für die Zeit vom 1.2.2023 bis zum 31.12.2023.

 

Was ist mit Wirkung ab 1.1.2024 vorgesehen?

«Der Grenzgänger kann maximal 25 Prozent seiner Beschäftigung im Modus der Telearbeit ausüben, ohne dass dies zu einer Änderung des Status des Grenzgängers nach dem Grenzgängerabkommen 2020 führt.»

Konkret soll die folgende Bestimmung im neuen Grenzgängerabkommen angepasst werden:

«2. Hinsichtlich Artikel 2 Buchstabe b Ziffer iii besteht Einvernehmen darüber, dass es einer Grenzgängerin oder einem Grenzgänger, die oder der die Voraussetzungen nach Artikel 2 Buchstabe b Ziffern i und ii erfüllt, grundsätzlich gestattet ist, an höchstens 45 Tagen pro Kalenderjahr aus beruflichen Gründen nicht an ihr oder sein Hauptsteuerdomizil im Ansässigkeitsstaat zurückzukehren, sofern die zuständigen Behörden nichts anderes beschliessen. Ferien- und Krankheitstage fallen nicht unter diese Begrenzung.»

Der Artikel besagt, dass ein echter Grenzgänger aus Italien grundsätzlich jeden Arbeitstag die Grenze in die Schweiz überqueren muss. Es werden jedoch max. 45 beruflich bedingte Nichtrückkehrtage toleriert, ohne dass der Grenzgängerstatus verloren geht. Gründe dafür sind Geschäftsreisen ins Ausland oder andere beruflich bedingte Verhinderungsgründe, an den Wohnort in Italien zurückzukehren.

Für welche Grenzgänger soll dies konkret anwendbar sein?

«Diese Option gilt für alle Grenzgänger im Sinne von Artikel 2 Buchstabe b des Grenzabkommens 2020, einschliesslich derjenigen, die von der Übergangsregelung gemäß Artikel 9 des Abkommens profitieren;»

  • Ein Grenzgänger ist in einer Gemeinde (Italien) steuerlich ansässig, deren Gebiet ganz oder teilweise innerhalb einer 20 km breiten Zone an der Grenze zum anderen Vertragsstaat (Schweiz) liegt.
  • Der Grenzgänger arbeitet in unselbstständiger Stellung bei einem Arbeitgeber (Firmensitz, Betriebsstätte oder feste Einrichtung), im Kanton Tessin, Graubünden oder Wallis und kehrt grundsätzlich jeden Tag an seinen Wohnsitz in Italien zurück.
  • Alle Grenzgänger sind eingeschlossen (nach altem und neuem Abkommen).

 

Für welche Arbeitnehmenden gilt es nicht? (die Art der Arbeitsbewilligung ist nicht entscheidend)

  • Arbeitnehmende mit einem Arbeitgeber im Kanton Tessin, Graubünden oder Wallis, welche nicht in einer Gemeinde in der 20 km breiten Zone in Italien leben.
  • Grenzgänger nach dem Abkommen, welche ihren Status aufgrund der Überschreitung der 45 beruflich bedingten Nichtrückkehrtage und / oder die 25% Telearbeit überschreiten und im besagten Kalenderjahr zum «unechten» Grenzgänger werden.

 

Was muss in der Payroll für echte Grenzgänger beachtet werden?
Sind die Voraussetzungen gem. obigen Erläuterungen erfüllt, kann die Schweiz auch die in Italien bis zu einer Höchstgrenze von 25% ausgeführte Telearbeit besteuern.
Für alle anderen muss das DBA angewendet werden. Die im Ausland gearbeiteten Arbeitstage können nicht von der Schweiz besteuert werden. Italien hat das Besteuerungsrecht.

 

Was ist mit dieser Publikation nicht klar?

  • Sind die 25% Telearbeit exklusiv der 45 beruflich bedingten Nichtrückkehrtage zu rechnen oder nicht?
  • Was ist die genaue Definition eines beruflich bedingten Nichtrückkehrtags? Ist es z.B. auch ein Reisetag in ein Drittstaatsland, auch wenn der Mitarbeitende am Abend wieder an seinen Wohnort zurückkehrt?
  • Was ist die genaue Definition der Telearbeit im Abkommen? Ist es die Arbeit, welche normal am Arbeitsort in der Schweiz verrichtet wird und nun von einem beliebigen Ort aus in Italien erbracht wird? Kann es auch Telearbeit ausserhalb des normalen Wohnsitzes in Italien sein oder muss die Telearbeit auch in der 20-km Grenzzone in Italien liegen?
  • Welche Gemeinden in Italien gehören zur 20km-Grenzzone? Die Liste, welche Gemeinden zu den Grenzgängergemeinden in Italien gehören ist noch nicht publiziert, soll jedoch gemäss Auskünften der Behörden bis Ende Jahr 2023 erfolgen.
  • Schliesst die Telearbeit von max. 25% Tätigkeiten für weitere Arbeitgeber in der Schweiz oder in einem anderen Staat inkl. Italien aus?
  • Dürfen Kunden in Italien vom Grenzgänger aus Italien besucht werden zusätzlich zu den 25% Telearbeit oder gibt es Einschränkungen?
  • Haben diese Telearbeitstage einen Einfluss auf die im vereinbarten Abkommen zu übermittelnden Daten? Wird das vorgesehene Reporting für Italien mit Gültigkeit ab 1.1.2024 angepasst und wenn ja wie konkret?

 

Meine Empfehlung:

Bevor die unklaren Punkte nicht beantwortet werden, ist von einer übereiligen Vereinbarung mit den Grenzgängern aus Italien abzuraten.
Auf jeden Fall wird empfohlen, mit jedem einzelnen Mitarbeitenden eine schriftliche Vereinbarung zu treffen mit den Bedingungen und unter welchen Voraussetzungen die Telearbeit bis zu welchem Prozentsatz gewährt wird. Zudem müssen weitere Aspekte wie die Sozialversicherungs­bestimmungen, mögliche zwingende Vorschriften zur Telearbeit in Italien, mögliche Betriebsstättenrisiken etc. berücksichtigt werden. Zudem muss überlegt werden wie die 25% resp. <25% im Bereich der Sozialversicherungen sauber festgehalten und kontrolliert werden können. Bis dato hat Italien das Rahmenabkommen über Telearbeit im Anwendungsbereich der Personenfreizügigkeitsabkommen nicht unterzeichnet.

 

Weiterer Hinweis:

Damit die Schweiz diese Telearbeitstage besteuern kann, müssen die Grundlagen zur Besteuerung der im Ausland nicht besteuerten Telearbeitstage angepasst werden. Die Vernehmlassung zum Bundesgesetz über die Besteuerung des mobilen Arbeitens im internationalen Verhältnis ist erfolgt.

 

 

Was ist für die Zeit vom 1.2.2023 bis zum 31.12.2023 in Bezug auf Telearbeit im Bereich der Steuern vorgesehen?

Für eine bestimme Gruppe von Grenzgängern soll bis Ende November 2023 eine gütliche Einigung getroffen und publiziert werden. Somit sollen bis zu 40% der Arbeitszeit im Telearbeitsmodus möglich sein, ohne den steuerlichen Grenzgängerstatus zu verlieren.

Wenn die Unternehmen ihre Mitarbeitenden ab 1.7.2023 im Sozialversicherungssystem Schweiz weiterhin versichern wollen, können sie nicht 40% Telearbeit gewähren. Dies gilt für den Anwendungsbereich gem. Personenfreizügigkeitsabkommen CH-EU (VO 883/2004, Artikel 13). Auch für diesen Zeitrahmen sind die Unternehmen gut beraten, die Auswirkungen für alle Rechtsbereiche zu prüfen. Zudem muss geprüft werden für welche Grenzgänger diese Einigung Wirkung hat.

Im Folgenden sollen ein paar Hintergrundinformationen erfolgen, um die folgende Erklärung in der Publikation vom 10.11.2023 besser zu verstehen:

(inoffizielle Übersetzung aus dem Italienischen)
«Schliesslich bestätigten sie die in der Erklärung vom 20. April 2023 zum Ausdruck gebrachte Bereitschaft, für den Zeitraum vom 1. Februar 2023 bis zum 30. Juni 2023 eine einvernehmliche Übergangsvereinbarung zu schliessen. In Anbetracht der erwiesenen Notwendigkeit, auch für den Zeitraum zwischen dem 1. Juli 2023 und dem 31. Dezember 2023 Übergangsregelungen zu treffen, um die erforderliche Kontinuität zu gewährleisten, beschlossen sie jedoch, den Entwurf einer gütlichen Einigung durch weitere Bestimmungen zu ergänzen, die es den Grenzgängern im Rahmen des Abkommens von 1974 ermöglichen bis zu 40 % ihrer Arbeitszeit im Telearbeitsmodus an ihrem Wohnort in Italien zu arbeiten, ohne dass ihr Status als Grenzgänger beeinträchtigt wird, und zwar nur für diejenigen Grenzgänger, die am 31. März 2022 im Telearbeitsmodus arbeiten. Diese gütliche Einigung mit dem entsprechenden Zusatz wird bis Ende dieses Monats von den zuständigen schweizerischen und italienischen Behörden unterzeichnet werden. Diese Erklärung stellt kein internationales Abkommen dar, aus dem sich Rechte und Pflichten nach internationalem Recht ergeben können. Keine Bestimmung dieser Erklärung ist als rechtsverbindliche Verpflichtung der Vertragsparteien auszulegen und umzusetzen.»

 

Die besonderen Covid-Bestimmungen im Bereich der Steuern zwischen der Schweiz und Italien sind einvernehmlich seit dem 1.2.2023 aufgehoben.

Am 20. April 2023 wurde eine Erklärung veröffentlicht, dass ein Draft über Telearbeit für Grenzgänger für den Zeitraum vom 1.2.2023 bis 30.6.2023 vorliegt, welcher unterzeichnet und veröffentlicht wird sobald Italien die Schweiz von der schwarzen Liste in Bezug auf die Steuern gestrichen hat.

In Italien konnte der Prozess nicht schnell genug abgeschlossen werden und der Entwurf zu Telearbeit wurde nie offiziell veröffentlicht.

Unternehmen mussten ihre Grenzgänger gem. Abkommen 1974 deshalb bitten, ab 1.2.2023 täglich an ihren Arbeitsort in die Schweiz zu kommen, wenn diese den steuerlich vorteilhaften Status in Italien (keine zusätzliche Besteuerung in Italien auf dem Einkommen als Grenzgänger in der Schweiz) nicht verlieren wollten.

Hielten die Grenzgänger diese Bestimmungen nicht ein, musste der Arbeitgeber auf den normalen Status gemäss DBA wechseln (normale Quellensteuertarife A, B, C oder H) und einen Kalender führen, damit ausländische Arbeitstage entweder im Quellensteuerverfahren ausgeschieden werden konnten oder durch einen Antrag zur Neuberechnung der Quellensteuern durch den Grenzgänger bis zum 31.3. des Folgejahres beim zuständigen Quellensteueramt zu korrigieren.

Italien hatte aufgrund verschiedener Interventionen eine einseitige Bestimmung beschlossen (IRPEF). Dies Gesetzesanpassung ermöglichte Grenzgängern in Grenzgemeinden in Italien bis zum 31. Dezember 2023 im Umfang von 40% der Arbeitszeit in Telearbeit in Italien zu arbeiten, ohne den Status der Nichtbesteuerung in Italien zu verlieren. Die Frist war ursprünglich auf den 30. Juni 2023 festgesetzt, dann aber bis Ende des Jahres verlängert worden. Die Regierung beschloss jedoch, die Gültigkeit dieser Regelung nur auf diejenigen Grenzgänger nach Abkommen 1974 zu beschränken, die am 31. März 2022 bereits Grenzgänger waren und zu diesem Zeitpunkt Telearbeit leisteten.

Eine Begründung für dieses Datum könnte sein, dass die Covid-Bestimmungen mit Aufforderung zu Homeoffice 31.3.2022 noch in Kraft waren. Die Schweiz hat mit Wirkung ab 1.4.2022 alle Restriktionen aufgehoben.

Nach Streichung der Schweiz von der schwarzen Liste konnte das neue Grenzgängerabkommen per 17.7.2023 in Kraft treten. Eine wichtige Voraussetzung für eine langfristige Lösung zur Telearbeit war somit erfüllt. Es kann davon ausgegangen werden, dass in den vergangenen Monaten verschiedenste Verhandlungsgespräche zwischen der Schweiz und Italien geführt wurden.

In der Erklärung vom 10.11.2023 ist nun ersichtlich, dass die einseitige Regelung von Italien auch von der Schweiz übernommen werden soll. Details zu den Bestimmungen sollten nach erfolgter Veröffentlichung per Ende November 2023 überprüft werden.

 

Handlungsbedarf für die Unternehmen:

  • Klärung, wer im Grenzgängerstatus nach Abkommen 1974 bereits am 31.3.2022 in einer Telearbeitssituation war für die Periode vom 1.7.2023 bis 31.12.2023
  • Klärung, wer und wieviel Telearbeit seit 1.2.2023 bis 30.6.2023 und vom 1.7.2023 bis 31.12.2023 in Italien geleistet wurde und ob die maximal 40% eingehalten wurden
  • Klärung wie diese Grenzgänger in der Payroll seit 1.2.2023 abgerechnet wurden (echter Grenzgänger?).
  • Je nach Sachverhalt rückwirkende Anpassung der Quellensteuerberechnungen in der Dezember Payroll 2023 nach Veröffentlichung der Erklärung per Ende November 2023
  • Richtigstellung möglicher Grenzgänger in der Payroll, welche nicht in diese Bestimmungen fallen
  • Überprüfung bezüglich Sozialversicherungsunterstellungskonsequenzen für die Periode ab 1.7.2023 für Anwendungsfälle gemäss Personenfreizügigkeitsabkommen. Für andere Fälle wäre eine rückwirkende Teilunterstellung resp. Aufteilung gem. Erwerbsort in der Schweiz und in Italien seit 1.7.2022 zu prüfen.

 

 

Unternehmen, welche zusätzliche Details zu den neuen Grenzgängerabkommen benötigen, können die folgenden Webinare buchen:

 

Link zur Seminarübersicht: https://www.zulaufgmbh.ch/veranstaltungen-workshops/

Unternehmen können auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Workshops und Seminare nach Absprache vereinbaren.

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