EuGH-Entscheid über die Wesentlichkeitsgrenze bei unselbstständig Erwerbstätigen gem. Personenfreizügigkeitsabkommen CH-EU Verordnung 883/2004

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat am 11. Dezember 2025 ein wegweisendes Urteil bezüglich Sozialversicherungsunterstellung gefällt.

Interessant dabei ist, dass es sich um einen Sachverhalt mit einer unselbstständig erwerbstätigen Person (EU-Bürger) mit Wohnsitz in Deutschland handelt, die bei einem Arbeitgeber in der Schweiz angestellt ist.

Man kann sich fragen, inwieweit sich die Schweiz künftig an dieses Urteil halten muss. Solange die Bilateralen III nicht angenommen werden, ist die Schweiz nicht verpflichtet, die Entscheidungen des EuGH zu übernehmen. Gemäss Art. 16 Abs. 2 des Freizügigkeitsabkommens (FZA) ist die Rechtsprechung des EuGH nur bis zur Unterzeichnung des Abkommens im Jahr 1999 zu beachten. Allerdings weicht das Bundesgericht in der Regel nicht ohne triftige Gründe von der Rechtsprechung des EuGH ab.

Worum geht es genau?

Es geht um die Auslegung von Art. 13 Abs. 1 der VO 883/2004 und von Art. 14 Abs. 5 bis 11 der Durchführungsverordnung 987/2009.

Ein EU-Bürger war im Zeitraum vom 1. Dezember 2015 bis zum 31. Dezember 2020 in Vollzeit bei einer Gesellschaft in der Schweiz angestellt.

Die physische Tätigkeit erstreckte sich auf den Arbeitsort in der Schweiz, Homeoffice im Umfang von 10,5 Tagen pro Quartal in Deutschland sowie ausgiebige Geschäftsreisen in Länder ausserhalb der Schweiz und der EU.

Die zuständige Behörde in Deutschland (Wohnsitzstaat) stellte ein A1-Formular (Tätigkeit in mehreren Staaten) aus, in dem bestätigt wurde, dass die Person in Deutschland zu unterstellen sei, da 25% und mehr der Tätigkeit in Deutschland ausgeübt wurden. Dies beruht auf der bisherigen allgemeinen Rechtsauffassung, nach der nur die Tätigkeiten innerhalb der Schweiz und der EU berücksichtigt werden, um die Wesentlichkeitsgrenze zu berechnen.

Unter Einbeziehung der Drittstaaten führte die Berechnung der Tätigkeit im Wohnsitzstaat Deutschland zu 16 % der Gesamtarbeitszeit. Dies liegt unter der Wesentlichkeitsgrenze von 25 %. Somit müsste die Person in der Schweiz unterstellt werden.

Gemäss veröffentlichtem Entscheid ist Art. 13 Abs. 1 dahin auszulegen, dass für die Feststellung, ob eine Person, die in mehreren Mitgliedstaaten, darunter ihrem Wohnmitgliedstaat, sowie in mehreren Drittländern eine Beschäftigung ausübt, im Sinne von Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 einen wesentlichen Teil dieser Tätigkeit in ihrem Wohnmitgliedstaat ausübt, nicht nur die von dieser Person in den Mitgliedstaaten, sondern auch die in Drittländern ausgeübte Beschäftigung zu berücksichtigen ist.

Dies führt im vorliegenden Fall gem. Art. 13 Abs. 1 Bst. b lit. i der Verordnung 883/2004 zu einer Unterstellung in der Schweiz, nämlich dort wo der Arbeitgeber seinen Sitz hat.

 

Handlungsbedarf:

Aus verschiedenen Gründen sollten Unternehmen Details über die physische Tätigkeit ihrer Mitarbeitenden führen. Für die Unterstellungsregeln nach dem Personenfreizügigkeitsabkommen (gültig für Schweizer und EU-Bürger in der Schweiz oder der EU sowie separat für EFTA-Bürger und -Staaten) sollten sie überprüfen, ob die Sozialversicherungsunterstellung im richtigen Land erfolgt.

Man muss davon ausgehen, dass die EU-Staaten in solchen Situationen die Regelung gemäss jüngstem Gerichtsentscheid umsetzen werden. Bei Wohnsitz in der Schweiz wird es interessant sein, ob die Ausgleichskassen diesem Entscheid Folge leisten.

Die korrekte Sozialversicherungsunterstellung der Mitarbeitenden muss für die Unternehmen von zentraler Bedeutung sein. Die Bestimmungen sind jedoch komplex. Entsprechendes Know-how ist deshalb entscheidend, um eine falsche Unterstellung zu vermeiden, die erhebliche Risiken für das Unternehmen mit sich bringen kann.

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